sommerliche Wintergefühle

Einen solchen Tag erlebt man nur selten. Ein Tag der Extreme. Aus einer anfänglichen grossen Enttäuschung wird ein unvergesslicher Happyday.

Begonnen hat alles mit der Idee, dass ich Rolf und Kurt die beiden Berggipfel Bella Tola und Rothorn zeigen möchte. Wir starten den Tag wie geplant und reisen mit dem gelben Postauto nach St-Luc. Alleine hätte ich den Plan wahrscheinlich schon vor dem Start scheitern lassen. Uns wird spätestens jetzt im Val d’Anniviers klar, der Tag wird nicht wie erhofft. Die kühlen Tage zuvor haben die Berge mitten im Sommer in eine weisse Hülle verpackt. Der Schnee liegt bereits ab 2’300 Metern. Unsere Berggipfel weisen eine Höhe um 3’000 Meter auf. Eine Enttäuschung macht sich bei mir breit. Wir lassen es auf uns zu kommen und versuchen den Aufstieg mit dem ersten Trail nach Le Chiesso zu geniessen. Dann geht es vorbei an der Bergstation Tignousa.

Die Landschaft ist einmalig. Die Berge präsentieren sich wie im Bilderbuch. Wir können uns kaum satt sehen. Trotzdem fragen wir uns, ob das Bike nicht eher durch Schneeschuhe ersetzt werden müsste.
Wir beschliessen, so weit wie möglich hoch zu fahren. Der erste Schneematsch wird durch die Stollenreifen durchfahren. Auf der Naturstrasse geht dies sehr gut. Ein Aufstieg zum Bella Tola über den Pas du Boeuf, wie ich ihn schon gemacht habe, können wir vergessen. Wir nehmen die direkte Route zum Grat in Angriff. Schliesslich hat jemand bereits eine Spur in den Schnee getreten.
Unsere Füsse sind innert Kürze durchnässt. Schritt für Schritt stapfen wir durch den nassen Sommerschnee. Das Bike liegt gut auf den Schultern. Wieviel werden wir wohl abwärts fahren können? Keine Ahnung, aber eines ist klar, wir sind einfach verrückt.
Die Schutzhütte ist erreicht, bald darauf auch der Grat, der den Bella Tola und das Rothorn verbindet. Wie weiter? Jetzt haben wir es bis hier hinauf gewagt und lassen die Gipfel sausen? Nein, klar nein. Zumindest einen Gipfel muss es sein. Den Bella Tola lassen wir vernünftigerweise unbezwungen. Das Rothorn ist einfacher und sollte machbar sein. Rolf und Kurt lassen ihr Bike liegen. Eine Gipfelbesteigung ohne Bike? Ich schultere mein Liteville. Meine Sturheit hat gesiegt. Vielleicht ist es auch der Abenteuertrieb, die Herausforderung oder einfach meine Kenntnisse vom Trail.

Das Rothorn ist mit seinen 2’998 m.ü.M. etwas kleiner als der Bella Tola. Aber die Aussicht ist ebenso genial. Wir sind sogar nicht mal alleine beim Gipfelhaus.
Die Stunde der Wahrheit hat geschlagen. Ich schwinge mich auf das Bike. Snowride mitten im Sommer. Auf dieser Höhe, in diesem steilen Gelände sind selbstverständlich grobe Fahrfehler keine Option. Ein paarmal geht der Fuss zu Boden. Aber es ist fahrbar. Die beiden Kollegen bereuen, dass sie das Bike zurück gelassen haben. Halb so schlimm. Nach dem Grat sind wir wieder zu dritt auf unseren Sportgeräten. Der Schnee schmilz uns regelrecht unter den Stollen weg.
Eine Gruppe Wanderer kämpft sich mit Stöcken und schwerem Schuhwerk durch den Aufstieg. Mund und Augen stehen weit offen als wir voller Spass an ihnen vorbeirutschen. Wir sind nicht zu bremsen. So einen Höllenspass hätten wir uns nicht erträumt. Toll, dass es verrückte Bikerkollegen gibt, die alles mitmachen.

Bei der Cabane Bella Tola ist der Schnee hinter uns und der verdiente Verpflegungshalt vor uns.
Nach dem sommerlichen Snowride kommt der Flowride. Vor Chandolin erwischen wir einen verblockten Trail, wo wir das Bike nochmals einige Meter tragen müssen. Dann geht es die letzten Meter aufwärts. Wir möchten zur Abbruchkante vom Illgraben. Die Sicht von oben ist eindrücklich.
Gut sind wir heute unterwegs, denn morgen laufen hier auf einem Teil unserer Abfahrtsstrecke hunderte von Bergläufer durch. Der Berglauf Sierre-Zinal ist echt hart. Wir sind froh, dass es bei uns abwärts geht und wir die Bikes sausen lassen können. Auf der Naturstrasse biegen wir ab um das Schlussfeuerwerk nach Sierre zu zünden.

Wer hätte das gedacht. Schnee mitten im August, wir besteigen einen 3’000er Berggipfel und haben einen Riesenspass. So einen Tag erlebt man nur selten.

Distanz: 42.5 km
Fahrzeit: 5:14 h
Höhenmeter: 1’970 hm
Downhillmeter: 3’040 dm
Bike: Liteville 301 Mk11

 

8 Gedanken zu „sommerliche Wintergefühle“

  1. hehe, fast wie die Wisshorelücke letztes jahr und die schneeabfahrt scheint auch wieder spassig gewesen zu sein, dieser sommer ist wirklich immer wieder für ne überraschung gut. wo habt ihr denn diesen zur witterung passenden wauwau aufgegabelt ?

    Antworten
    • Ja genau, es vergeht wohl kein Sommer ohne Snowride 😀 . Die Wauwaubesitzer gönnten dem Vierbeiner auch im August eine artgerechte Schneeunterlage. Ich habe ja gestaunt, dass auch einige Wanderer der weissen Pracht getrotzt haben.

      Antworten
  2. Ihr seid ja wilde Hunde, bei diesem Wetter so was zu wagen. Aber eben Abenteuer pur. Und ich war am gleichen Tag ein paar Kilometer Luftlinie auf der anderen Talseite, hätte mich wohl doch ankündigen sollen 😉 Bei meiner Tour auf die Bella eine Woche später war vom Schnee keine Spur mehr zu sehen. Hoffe so schnell geht auch diesmal der Schnee noch grösstenteils weg.

    Antworten

Schreibe eine Antwort zu rolf weibelAntwort abbrechen