ins wilde Centovalli

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Wer kennt es nicht, das wilde Centovalli? Es ist die Verbindung von Locarno nach Domodossola mit ihrer kurvenreichen Strasse, der Centovallibahn und den schmucken Dörfern. Bei den Bikern ist das Tal eher unter dem Namen Rasa-Tour bekannt. Rasa, das Bergdorf hoch über dem schmalen Tal. Im Jahr 2014 wurde die Tour im Bikemagazin Ride beschrieben. Es gibt 3 Varianten, theoretisch sogar 4 (via Bordei). Die Unterteilung ist schnell gemacht. Leicht, mittel und schwer. Nur die schwere Version geht wirklich zum Dorf Rasa. Die anderen beiden biegen vorher ab. Leicht klingt etwas nach lockerer Feierabendrunde. Und gerade die schwere Route zu wählen, wollte ich Hans nicht antun. Also ist es klar, der gute schweizerische Mittelweg.

Dieses Weekend im Tessin verbringe ich mit den Kollegen aus dem Züri-Unterland, den Gipfel(i)-Stürmer. Hans und ich entscheiden uns, schon am Freitag in den Süden zu reisen. Das Wetter zeigt sich schliesslich wieder mal von der goldigen Seite.
Den Start nach der langen Autofahrt lassen wir locker angehen. Herrlich, an der Promenade bei einem Kaffee zu sitzen, die Sonne im Gesicht zu haben und die Gedanken über den bevorstehenden Biketag schweifen zu lassen.

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Der Aufstieg führt uns auf der kaum befahrenen Strasse Höhenmeter um Höhenmeter aufwärts. Anfangs vorbei an tollen Häusern, später im lichten Wald. Das schmucke Grotto lassen wir hinter uns. Immer wieder erhaschen wir einen Blick in die Tiefe über den Lago Maggiore. Die Bäume lichten sich immer mehr, bis wir bei einer Kapelle die freie Sicht über das Tessin haben. Der See, das Maggiadelta mit Ascona und Locarno, das italienische Luino, die Brissago-Inseln, der Monte Tamaro, die verzuckerten Berge … einfach fantastisch. Hier oben ist wohl einer der schönsten Plätze mit der schönsten Aussicht vom Ticino. Wir könnten den ganzen Tag in der Wiese liegen, die Sonne und die Aussicht geniessen 🙂

Hans am staunen über die fantastische Aussicht Rotscher mit Blick auf das Maggiadelta Lago Maggiore und Brissago-Inseln auch die Bikes haben Pausewohl einer der schönsten Plätze im Ticino?Lago Maggiore mit Maggiadelta und Magadinoebene

Der gesamte Aufstieg ist auf Asphalt, aber dennoch sehr abwechslungsreich und lohnenswert. Immer wieder sind wir von der Aussicht überwältigt. Fast ganz oben wo die Strasse endet, biegt der Trail ab. Die paar Höhenmeter sind kaum der Rede wert. Zur Alpe di Naccio würde es noch einige Schweisstropfen fordern. Für uns zeigt der Pfad auf 1’306 m.ü.M abwärts, abwärts ins wilde Centovalli.

und jetzt den Trail hinauf Panorama Uphill

Die Zeiten wo der Blick in die ferne schweift ist definitiv vorbei. Der Blick ist auf den Trail fixiert. Das ist auch bitter nötig. Immer wieder überraschen uns Steine und Wurzeln. Der Pfad durch den Buchenwald ist knackig, aber fahrbar.

Trail Richtung Rasa

Plötzlich stoppen wir. Unser GPS-Track zeigt eine andere Richtung. War hier ein Abzweiger? Dieser Weg würde direkt nach Rasa führen. Aber das wollen wir ja nicht. So geht es ein paar Meter zurück. Die Abzweigung ist kaum zu sehen. Der Waldboden ist mit einer dicken Schicht Laub bedeckt. Wir zirkeln und rutschen im Schritttempo den steilen Hang hinunter. Unter dem Laub verstecken sich eine Unmenge von Gehölz und Steine. Hoffentlich ist nicht der ganze Downhill so. Keine Spur von Bikern oder Wandern ist zu sehen. Immer wieder müssen wir den Trail suchen.
Endlich erreichen wir die Alp Dorca. Ich erblicke sofort die Gondel. Das gibt ein tolles Foto 🙂 In Gedanken bin ich am shutteln.

Hans im dichten Wald auf dem Laubtrail Trailsuche im Laub Alp Dorca Rotscher findet einen Shuttle :)

Der Pfad führt im Zickzack in der Falllinie den Hang hinunter. Auch nach der Alp Dorca sieht es gleich aus. Laub so weit das Auge reicht und kaum ein Trail zu sehen. Eine unangenehme Rutschpartie. So haben wir uns den Downhill nicht vorgestellt. Das geht für mich in die Kategorie nicht empfehlenswert.
Vor der Alp Maia ist der Weg abgerutscht. Mit gemeinsamen Kräften schaffen wir die Überquerung. Die Alp Maia besteht nur noch aus Ruinen. Alles wirkt sehr mystisch. Am besten ist noch die offene Kapelle erhalten.

offene Kapelle, einsam und verlassen, Alp Maia verlassene Kapelle

Zwischen der Alp Maia und der Alp Paniscera befindet sich der schönste Teil vom Tag. Wir surfen durch das hohe Gras, zwischen kleinen Bäumen und Büschen hindurch, vorbei an Ruinen.

zwischendurch angenehme Downhillmeter cooler Wiesentrail die Natur holt sich die Alp zurück, Alp Paniscera die wohl besten Trailmeter

Nach der Alp Paniscera ist unser Weg wieder gut sichtbar. Das Laub ist verschwunden. Aber der mit vielen Steinen und Stufen durchsetzte Pfad ist sehr anspruchsvoll. Für mich ein gefundenes Fressen und auch fahrbar.

anspruchsvoller Trail ins Centovalli

Geschafft, der Talboden ist erreicht. Zumindest haben wir uns das so gedacht. Zwar führt ein wunderschöner Weg dem Hang entlang, welcher aber nochmals viel Substanz fordert. Es geht auf und ab mit vielen Stufen, über Felsbrocken und Steinwege. Immer wieder zwingt es uns zum Absteigen.
Der letzte Kraftakt  sind die Höhenmeter runter zur römischen Brücke und auf der anderen Seite die knapp 100 Höhenmeter hinauf zur Strasse. Ans Fahren ist nicht zu denken. Ich versuche es locker zu nehmen. Umso schöner ist der Anblick der alten Steinbrücke … 🙂 (die Insiderinfo behalten Hans und ich geheim).

Centovalli abseits der Strasse nicht viel mit Fahren bei der Römerbrücke römische Brücke im Centovalli

Kaum sind wir auf der Strasse, erreichen wir das Dorf Intragna, den Hauptort vom Centovalli. Nach dem Dorf führt ein Naturweg entlang dem Fluss Melezza und später der Maggia. Das Ausrollen führt an Losone vorbei bis wir unseren Ausgangspunkt Ascona erreichen.
Das kühle Bier am Lago Maggiore haben wir uns mehr als verdient!

das haben wir verdient

Die Verpflegung war heute aus dem Rucksack. Umso riesiger ist der Hunger heute Abend. Da gibt es kein Halten mehr. Rotscher stürzt sich über die Pizza 🙂

Pizzaaaaa

Hans, das war trotz allem ein wunderschöner Tag zusammen mit dir. Ein Tag mit viel Genuss und Abenteuer. Auf zum nächsten Streich.

 

Fazit:
Diese Routenwahl ist nicht unbedingt empfehlenswert. Die Mittelschwere Abfahrt überrascht mit schönen Plätzen wie die verlassenen Alpen und die römische Steinbrücke. Der Wanderweg ist jedoch in der oberen Hälfte nicht gepflegt und kaum mehr begangen. Das minderten den Fahrspass gewaltig. Der untere Teil ist anspruchsvoll und nur für wirklich versierte Biker tauglich.
Absolut lohnenswert ist der Uphill. So ein angenehmer Aufstieg mit Abwechslung und Panoramablick kriegt man selten geboten.
Für das nächste Mal werde ich mir die schwere Variante über Rasa vorknüpfen. Schlimmer kann es wahrscheinlich nicht sein. Zumindest wird der Pfad besser unterhalten sein, da er der Zugang zum Dorf ist. Und über den riesigen Rockgarden bin ich gespannt. Für eine kurze Runde bietet sich natürlich auch die leichte Variante an. Zu entdecken gibt es also noch viel. Eines ist jedoch klar. Wir sind im Tessin wo die Trail knackig sind, sowieso in den nördlichen Tälern. Sicher kein Gebiet für schwächere Biker.

Distanz: 33.2 km
Fahrzeit: 4:07 h
Höhenmeter: 1’310 hm
Bike: Liteville 301 Mk11

 

2 Gedanken zu „ins wilde Centovalli“

  1. Ja Rotscher, das war wirklich eine einmalige Erfahrung. Ich bin im Nachhinein nicht gereut, diese Tour unter die Räder genommen zu haben. Der wunderbare Aufstieg entschädigt schon für den krassen Downhill. Es muss auch solche Tage geben, wo nicht alles vorhersehbar ist. Man muss dann halt das Beste daraus machen. Und das taten wir. Das Wetter und sonst stimmte ja alles zusammen.

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