Col du Bandarray

Während ich noch einen Tag im schönen Val Ferret anhänge, muss Kollege Sven bereits den Heimweg antreten. Einen speziellen Tipp hat er mir jedoch anvertraut. Soll ich das Abenteuer wagen?

Den Abzweiger der Touristenroute ignoriere ich. Vorbei geht es an der ersten Kuhweide. Schon bald endet der Weg. Ich folge der nicht markierten Spur. Dann stehe ich vor einem Zaun. Das einsame Tal ist eine riesige Kuhweide, gefüllt mit den schwarzen, furchterregenden Eringerkühen. Oh nein, die jüngeren Exemplare erblicken mich und kommen mir neugierig entgegen.
Die Spur führt mitten durch dieses Gebiet. Soll ich? Oder doch lieber umkehren?
Ich entferne mich einige Meter vom Zaun und warte ab. Die Lage entspannt sich langsam. Ein Grossteil der Herde ist am Gegenhang. Der Rest nun etwas abseits der Spur. Schwups, über den Zaun und zu Fuss im schnellen Schritt vorwärts. Einer weiteren Gruppe weiche ich etwas aus.
Ich habe es geschafft, die Vierbeiner sind hinter mir. Was mir aber auch klar wird, ich muss weiter, ein Zurück gibt es wohl nicht mehr.

Das Bike ist längst auf den Schultern. Ans Fahren ist nicht zu denken. Immer wieder suche ich den Pfad. Oft ist nichts zu sehen. Das schmale Tal zieht sich in einem Bogen ziemlich in die Länge. Irgendwann ist der Pass dann doch zu erkennen.
Mit dem näher werdenden Pass ändert sich plötzlich die Vegetation. Das viele Grün wird spärlicher und die Steine vermehren sich rasant. Kurz vor dem Pass ist der Pfad in der Steinlandschaft gut zu sehen.

Wow, wie genial. Der Pass ist eine sehr schmale Kante. Auf beiden Seiten flankiert mit Stein- und Geröllfelder. Genau über diese Kante verläuft die Landesgrenze zwischen der Schweiz und Italien.
Ich geniesse den Augenblick, den einsamen Ort. Diesen Pass werden jedes Jahr wohl nur eine handvoll Personen überqueren. Auf beiden Seiten führt kein markierter Weg durch diese wunderschöne Gegend. Man muss den Weg suchen und spüren.

Ich blicke über eine riesige Geröllhalde. Der Pfad ist zu Beginn glücklicherweise sichtbar.
Die Steine rutschen umher, mein Bike ebenso. Dann folgt eine kleine Fusspassage durch den Bach. Und bald endet die sichtbare Spur. Einfach abwärts, quer durch die Steinlandschaft. Gut habe ich auf dem GPS den Verlauf ungefähr eingezeichnet. Die grauen Farbtöne verschwinden und überlassen dem Grün die Aufmerksamkeit.

Trotz Verlauf auf dem GPS suche ich einige Male nach dem Weg, bis ich schliesslich auf der Touristenroute lande. Was für ein Kontrast. War ich vor einigen Minuten noch in der einsamen Abgeschiedenheit, pilgern nun Menschenkolonnen über den Grand Col Ferret.
Ich schwinge das Bike wieder auf die Schultern und schlage ein zügiges Tempo an. Eine Gruppe nach der anderen wird überholt. Die Wandersleute quälen sich mühsam den Pass hoch und bleiben mit offenem Mund stehen, als ich im Schnellzugtempo verbeihusche. Da bleiben natürlich die bewundernden Worte nicht aus.

Auf dem Pass ist mächtig was los. Ich fahre gleich weiter. Heute möchte ich den richtigen Petit Col Ferret erwischen.

Die Trails rund um den kleinen Ferret sind wunderschön. Schon bin ich auf der Abfahrt von gestern, vorbei an den beiden freundlichen Herdenschutzhunde.

Schliesslich geniesse ich vor dem Büssli den letzten Abend. Die Tage hier im Val Ferret haben sich gelohnt, eine tolle Gegend, weit weg vom Haupttal, mitten in der mächtigen Bergwelt.

Distanz: 23.3 km
Höhenmeter: 1’421 hm (ein Grossteil zu Fuss)
Bahnunterstützung: Keine
Bike: Liteville 301 Mk14

1 Gedanke zu „Col du Bandarray“

  1. Auf diesen bericht habe ich gewartet, sehr schön! Die Eringer söldner haben sich wohl verirrt *g* sind sie doch eigentlich ein paar täler weiter östlich daheim. Aber die haben sicher gemerkt dass, dass du im herzen auch ein walliser bist und dich durchgelassen 😉

    Die einsamen geröllhalden sehen verlockend aus, die bleiben auf meiner bucket-list, zusammen mit der nadel, die den Bandarray überragt. Danke dir fürs scouten und bis bald!

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