das blinde Horn

Ganz klar, dieser Tag war das absolute Highlight der Saison. Umso länger ist dieser Beitrag mit den vielen Bildern geworden.
Aber was ist toll an der Sache, wenn man das Bike fast 2’000 Höhenmeter den Berg hinauf schleppt?


Der Tag startet mit dem ersten Postauto auf den Nufenenpass. Extra angereist für diese Expedition ist Alexander. Er ist für alles zu haben, egal wie viele Höhenmeter zu Fuss erklommen werden müssen.
Wir stecken voll in der Wolkenschicht, keine Sicht auf dem Pass. Gut ist der Trail noch knapp zu erkennen. Und bereits geht es zur Sache. Die kurze Abfahrt bis zur Querung zu den Windrädern hat es in sich. Die ersten blauen Flecken am Himmel sind zu sehen. Wow, ein geniales Naturschauspiel wie die Wolken über die Berge ziehen.
Mit etwas Auf und Ab fahren wir dem Griessee entlang, bis zum Pass mit der kleinen Übernachtungshütte.

Auf der Karte sieht alles so einfach und locker aus. Aber zum nächsten Stausee gibt es ein Tal das durchquert oder ein Berg der überwunden werden muss. Wir ziehen den Berg vor, vielleicht gibt es noch ein paar tolle Abfahrtsmeter. Die Landschaft ist genial, eine Mondlandschaft mit viel feinem Schotter und nur zartem Grün.

Abwärts ist es nicht durchgehend fahrbar. Eine Felsenpassage mit Kettensicherung muss durchquert werden, was aber kein Problem darstellt.
Der Stausee ist in Sichtweite. Aber weit gefehlt mit lockerem rollen. Eine Senke zwingt uns zu den nächsten zusätzlichen Höhenmetern.

Die ersten beiden Teilabschnitte sind vollbracht. Wer nicht konditionell in Form ist, wird es nicht bis zum Gipfel schaffen. Die Anfahrt ist zeitintensiv und anstrengend.
Der dritte Abschnitt führt zum Rifugio Claudio e Bruno. Entlang dem Stausee sitzen wir noch auf dem Sattel. Danach muss das Bike auf die Schultern. Kurz alle Muskeln und Druckstellen entlasten. Eine grosse Pause gibt es bei der Hütte aber nicht, der vierte Abschnitt ruft.

Oh, was sehen wir vor uns? Eine brutale Rampe. Drei Schritte vorwärts, einer zurück. Der Trail ist enorm steil, der Untergrund aus sandigem Gestein und rutschig. Ui, das wird abwärts ein Spass.
Oben auf dem ersten Bergrücken glänzt neben uns der weisse Gletscher. Fahrend führt der Trail entlang der grossen Eisfläche. Wow, einfach gigantisch, rundum Gletscher und Berge. Die 3-tausender Grenze ist geknackt, die Luft schon ordentlich dünn und der Gipfel unmittelbarer vor uns. Noch der letzte super steile Schlussanstieg.

Hammer !!!
Ich liebe diese Augenblicke, wo die Glückshormone sprudeln. Nach fast 2’000 Höhenmeter Bikeschleppen endlich auf weit über 3’000 Metern zu stehen.
Keine Ahnung wieso das Horn blind sein soll. Wir haben jedenfalls phänomenale Aussicht. Rundum Berge, Gletscher, Täler, Seen. Sogar der Nufenpass, unser Startpunkt, ist zu sehen. Ich könnte alle Berge umarmen. Genau dieses Erlebnis macht für mich den Reiz aus, die Gipfel zu erklimmen. Jeder Schweisstropfen, jeder Meter Bikeschleppen hat sich geloht.

Wir geniessen zusammen mit einigen Wanderern den Gipfel und erhalten Bewunderung ab unserer Tat. Das Sandwich schmeckt auf dieser Höhe besonders gut. Ich könnte ewig hier oben sein.

Jeder Gipfelaufenthalt ist irgend wann zu Ende. Gut zu wissen, dass jetzt der grösste Spass kommt.
Die Wanderer bringen sich bereits in gute Sichtposition. Jeder möchte natürlich wissen, ob wir fahren oder laufen. Da können wir mit einem schelmischen Grinsen auf das Bike steigen. Klar, wir fahren 😁

Die Mühen vom Aufstieg werden doppelt belohnt. Genialer kann biken nicht sein. Vor uns die besten Trails, neben uns die weissen Gletscher. Fast wie in einem Märchen. Alexander als angefressener Skitüreler (Skitourenfahrer) kann es natürlich nicht lassen, das Eis auf seinen Grip zu testen 😉

Auch beim Rifugio werden wir interessiert vom Fussvolk gemustert. Das Schöne ist, dass die Italiener sehr offen für uns Biker sind. Sie realisieren was wir hier leisten und freuen sich mit uns zusammen.

Der Stausee ist bereits hinter uns. Dann düsen wir zum Rifugio Città di Busto. Hier muss der Tank und der Energiespeicher gefüllt werden. Die Tour ist noch lange nicht zu Ende.

Welchen Rückweg sollen wir wählen? Der ursprüngliche Plan war, über den San Giacomo zurück zum Nufenen zu fahren. Keine Chance. Da würden wir nicht mehr am hellen Tag zurück sein.
Wir wählen dieselbe Route wie beim Aufstieg. Somit bekommt das Bike seine Ruhezeit auf den Schultern. Die Strapazen sind bereits spürbar. Links die Kette, rechts der Abgrund, dann die letzten Meter.
Wir haben natürlich diese Route gewählt, damit wir durch die Mondlandschaft runter cruisen können. Immer im Blick der türkisfarbene Stausee mit den grossen, markanten Windrädern. (Sie stören übrigens nicht, gehören selbstverständlich zu unserer ökologischen Stromerzeugung).

Den Nufenenpass lassen wir rechts liegen und stechen abwärts. Der neu angelegte Trail ist ganz nach unserem Geschmack, richtig knackig. Die Abfahrt zieht sich in die Länge. Der Trail wird immer schneller und flowiger. Ich habe nicht geahnt, dass die Strecke vom Nufenen nach Ulrichen so lang, so genial ist. Die letzten Meter, rechts am Dorfeingang das Restaurant …
… jetzt gibt es ein grosses Bier und ein leckeres Nachtessen. Das ist mehr als verdient. Alexander und ich schwärmen immer noch von der Tour, vom Gipfel …

Wow, das war ein Tag. Kein Wunder ist er das Highlight vom Jahr. Perfekter kann er nicht sein. Tausend Dank dir Alexander, dass du immer für solche Abenteuer zu haben bist.

Ja, das blinde Horn, das Corno Cieco, bleibt mir in den Gedanken fest verankert. Ich glaube fast, ich komme wieder 😉

Distanz: 37.4 km
Höhenmeter: 1’941 hm (mehrheitlich schieben/tragen)
Downhillmeter: 3’197 dm
Bahnunterstützung: Postauto Ulrichen – Nufenenpass
Berggipfel: Blinnenhorn (Corno Cieco), 3’374 m
Bike: Liteville 301 Mk14

8 Gedanken zu „das blinde Horn“

  1. WAUW, wauw, diese bilder bringen einem zum träumen, ganz grosses kino *thumbsup*

    Da habe ich was verpasst, aber gut hab ich gepasst, denn mit meiner damaligen kondition wäre dies ein fiasko geworden und gut fasst du eine wiederkehr ins auge, denn da bin ich dann definitiv dabei.

    Danke für diesen lichtblick an einem kalten düsteren wintermorgen 🙂

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  2. Ouu la la, eine Biketour kann nur so perfekt und schön sein, das gibt Motivation sich besser auf 2023 vorzubereiten -:)
    Danke Rotscher & Alexander für die tollen Bilder und den Bericht

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Danke für deinen Kommentar !