Perfect Day

Was für ein Tag …
Es war wieder einer dieser unbeschreiblichen Biketage. Alles hat gepasst. Perfektes Wetter, tolle Begleitung, hochalpines Feeling, Berggipfel, endlos Steine und Felsen, eine gute Portion Abenteuer …
Ich durfte mit dem Bike schon sehr viel erleben. Aber diese Tour gehört definitiv zu den allerbesten in meinem Bikerleben. Ein perfect day.
Naja, der Beitrag ist dementsprechend auch etwas umfangreicher ausgefallen 😉

Per Zufall bin ich im Internet auf Bilder von dieser Tour gestossen. Dann war für mich sofort klar, das muss ich ebenfalls erleben. Ich recherchiere und zeichne den Track. Die Tour geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Bei ein paar Bikekollegen ist das Vorhaben platziert. Und jetzt, gut ein Jahr nach der Idee, kommt endlich die Umsetzung.


Mitten im Herzen vom Wallis treffe ich Marie, Ändu, David und Fritz. Die Bikebügel am Postauto sind reserviert. Es ist der einzige Kurs auf den Pass und dauert satte 1.5 Stunden, inklusive einmal umsteigen.

Die fahrbaren Meter gibt es, sind aber eher Mangelware. Schieben und tragen dominieren den Tourenstart. Richtig genial auf dieser Höhe starten zu können, umgeben von einer super Landschaft. Schon bald können wir auf den Col mit dem gleichnamigen Stausee blicken. In der Ferne ist Glacier 3000 sichtbar.

Der Wegweiser zeigt in zwei Richtungen. Unser weiterer Tourenverlauf ist klar. Zuerst aber bitte noch einen Gipfel. Für die Zusatzschlaufe kommt das Bike auf die Schultern.
Das meiste scheint abwärts fahrbar, bis jetzt. Dann stehen wir mitten in einer Felsflanke. Ändu und Marie haben ihr Bike sinnvollerweise unten deponiert. Fritz meint, oben ist sicher ein super fahrbarer Trail. Auf allen Vieren kraxeln wir vorwärts.

Das Gipfelkreuz auf über 3000 Metern ist erreicht. Auf der einen Seite befindet sich der Kanton Bern, auf der anderen Seite der Kanton Wallis.

Die ersten Downhillmeter am heutigen Tag, direkt ab dem Gipfel. Die Freude ist sehr kurz. Jetzt rächt sich, dass wir die Bikes auf den Gipfel geschleppt haben. Auf dem Hosenboden tasten wir uns mit dem sperrigen Zusatzgewicht auf den Schultern Zentimeter um Zentimeter die Felsplatte runter.
Geschafft. Ich bin erleichtert. Sehr technisch und steil geht es durch die Felsen und Schotterhalden weiter. Noch ein paar Meter Flow und schon sind wir wieder bei der Verzweigung.

Wir biegen ab, ab in eine unbekannte Welt, in die Einsamkeit. Tendenziell etwas abwärts geht es den Schotterhalden entlang. Kein Mensch weit und breit. Auf den schnelleren Abschnitten fliegen uns die Schiefersteine fast um die Ohren. Das Bike muss ordentlich was wegstecken.
Die nächste Ebene ist erreicht. Ich bin hin und weg, voll fasziniert von der Landschaft, einfach genial. Nicht im kühnsten Traum hätte ich das erwartet. Rundum Steine und wunderschön geschichtete Felsen, spärliches Grün, einzelne Schneefelder. Niemandsland. Da sind wir Menschen plötzlich winzig klein.

Am Ende der Hochebene erkennen wir knapp den Weg, hinauf durch eine riesige Schiefersteinflanke. Das Bike ist bereits wieder auf den Schultern. Langsam nähern wir uns der Schlüsselstelle.
Seit langer Zeit gibt es für uns wieder etwas Weitblick, ein Blick ins Haupttal vom Wallis und an die fernen Berggipfel.

Ich habe die Kollegen logischerweise über die Schlüsselstelle informiert. Diese besteht aus zwei Sektionen. Der erste Teil führt dem Seil entlang sehr steil aufwärts, gefolgt von Metallbügeln, welche in den Felsen geschlagen sind. Der zweite Teil sind mehrere Metallleitern.

Das Bike zurren wir mit einem Riemen zusätzlich am Rucksack fest. Die Gefahr, dass das Bike von den Schultern oder aus dem Tragsystem rutscht, ist gross. Für einige Passagen müssen beide Hände frei sein. Eine dritte Hand um das Bike zu halten fehlt leider.

Ich bin sprachlos. Wir stecken mit ordentlich Adrenalin mitten im Abenteuerland. Unbeschreiblich, richtig geil.

Kurz vor dem Pass hat es eine sehr enge Stelle, wo die Leiter zwischen zwei Felsen verläuft. Mein Bike steckt für ein paar Augenblicke fest. Etwas rückwärts, links, rechts. Glück gehabt, und weiter.
Alle haben die Schlüsselstelle mit Bravour geschafft. Wir strahlen um die Wette und sind uns einig, es war ein Gaudi. Sowas erlebt man nicht alle Tage.

Eine kurze Pause und weiter geht es, abwärts Richtung SAC-Hütte.
Zuerst Schottersurfen, dann Slickrocks. Ich kann es kaum in Worte fassen, hammermässig. Die ersten menschlichen Lebenszeichen gibt es bei der Cabane.
Einfach Wahnsinn. Seit dem Tourenstart bewegen wir uns im hochalpinen Gelände. Und ich bin überrascht wieviel für uns fahrbar ist. Spass pur, mein Terrain.

Der Tag neigt sich langsam gegen das Ende. Die Tour ist lang und intensiv. Viel Zeit für ausgedehnte Pausen gibt es nicht. Einen kurzen Getränkestop bei der Cabane muss reichen.

Ab jetzt geht es definitiv ordentlich abwärts, hinein in die grüne Zone mit mehr Gras, Büsche und Bäume. Wir bleiben voll im Element und geniessen jeden Meter. Biken von seiner schönsten Seite.

In Talnähe habe ich noch eine Schlaufe eingeplant. Ja, als hätten wir nicht schon genug. Suone hin, Suone her. Ich möchte meiner Begleitung das Motiv unserer Schweizer 100er Note zeigen.

Die Tour zieht sich in die Länge. Wir cruisen durch die Rebberge von Sion. Dann die letzte kurze Abfahrt, die letzte Treppe. Wir stehen vor der Brauerei Valaisanne. Nicht lange überlegen, das Bier ruft. Dieses Nachtessen in der Brasserie mit genügend Hausbier haben wir mehr als verdient.

In unseren Alpen verstecken sich unzählige Perlen. Eine davon ist sicher diese hochalpine Querung, abseits vom Massentourismus. Man bewegt sich permanent auf einer Höhe zwischen 2500 und 3000 Metern. Eines muss jedoch klar sein, die Trails müssen sehr hart verdient werden. Und man sollte endloses Schottersurfen lieben.
Für mich zählt immer das Gesamtpaket. Nicht nur das Biken, auch das Erlebnis, die Landschaft, die Natur. Ich mag solche kargen Orte.

Danke Marie, Ändu, David und Fritz für den genialen Tag … und das Vertrauen in meine Tourenplanung 😎 … für mich wird es ein unvergesslicher Tag bleiben.
Und danke David für die super Fotos.

Distanz: 44.8 km
Höhenmeter: 1’307 hm (fast alle hm schieben/tragen)
Downhillmeter: 2’846 dm
Bahnunterstützung: Postauto
Bike: Liteville 301 Mk14


Die Tour ist nur für sehr versierte, geländegängige BikerInnen mit hochalpiner Erfahrung geeignet ❗
Mein Betrag soll nicht zur Nachahmung inspirieren, da es sich hier nicht um eine normale Biketour handelt. Auch wenn ich sehr davon schwärme, man muss diese Art von Biken lieben und gewillt sein, sein Bike über lange Zeit zu tragen.

4 Gedanken zu „Perfect Day“

  1. Super Bildern und tolle Beschreibung, wirklich eine Tour der Superlative. Da ich Höhenangst habe, ist diese Tour leider nicht machbar für mich. Seit einiger Zeit verfolge ich deine super Beiträge.

    Antworten
    • Hallo Jean-Pierre. Vielen Dank für deinen Kommentar und dass du auf meinem Blog gelandet bist 🙂
      Es gibt tatsächlich von mir einige Touren, wo Schwindelfreiheit von Vorteil wäre. Aber das bin ich komischerweise auch nicht. Diese Tour mit den Leitern war für mich gerade so machbar. Und vor allem ist es in der Gruppe viel einfacher, wo im Notfall Hilfe zur Seite steht.
      Ich kann dir aber sehr gut nachfühlen. Die Einschätzung was geht und was nicht, ist nicht klar zu definieren. Irgend wann packt die Blockade zu.
      Trotzdem, viel Spass beim biken und hoffentlich viel Inspirationen hier im Blog.

      Antworten
  2. Bin heute auf den Arpellistock. Bis zum Sattel auf ca. 2930m lohnt es sich aus meiner Sicht das Bike mitzuschleppen. Zum Glück den Rest ohne Bike, den im Abstieg hatte ich auch ohne Bike schon genug mit dem losen Geröll zu kämpfen. Respekt, dass ihr den Gipfel mit Velo geschafft habt! Für mich selbst erscheint mir das unmachbar oder jedenfalls höchstriskant.
    Ich hatte mich auch gefragt, wie es wohl beim rechten Abzweig weiterginge, es sah jedenfalls auf den ersten Metern sehr verlockend aus!
    Danke für den tollen Bericht!

    Antworten
    • Hallo Michael. Danke für deinen Kommentar. Du hast vollkommen recht, die letzten Meter durch die Felswand lohnt es sich echt nicht das Bike hoch zu schleppen. Der Abstieg war dann auch entsprechend ein Abenteuer 🙂
      Wie die Strecke nach dem Abzweiger ausschaut kannst du meinen Bildern entnehmen, einfach genial. Aber es gibt einige Höhenmeter zu Fuss und auch die Leiter. Man sollte sich gut überlegen, ob man sich das zutraut oder nicht. Alleine würde ich diese Tour nicht fahren.

      Antworten

Danke für deinen Kommentar !