Sighignola

Bevor der Heimweg angetreten werden muss, ruft nochmals der Berg. Ich möchte den Balkon von Italien besuchen, den Balcone d’Italia … oder den Punkt mit dem fast exotisch anmutenden Namen Sighignola.

Der Berg bildet die Grenze zwischen der Schweiz und Italien. Erreichbar ist er aber nur über unser Nachbarland. Und ja, einen sehr attraktiven Aufstieg ist es nicht, eine wenig befahrene Autostrasse. Auf der Schweizer Seite habe ich ein paar Meter Waldweg mit Naturbelag gefunden. Der Rest ist Asphalt … sofern man in Italien von Asphalt sprechen kann 😉.
Eindrücklich war jedoch, dass nach dem letzten Tessiner Dorf, Arogno, eine kleine Passstrasse durch ein einsam verlassenes Tal nach Italien führt. Das Italienische Dorf liegt 300 Meter höher. Da läppern sich die Höhenmeter zusammen. Vom See nach Arogno waren es schon etwas mehr als 300 Uphillmeter, und jetzt gibt es bis zum Berg nochmals 400 dazu.

Wow, diese Aussicht rechtfertigt für mich den Pflichtaufstieg. Kein Wunder nennt sich die Aussichtsplattform „Balcone“. Die Sicht über das Tessin, den Lago di Lugano, den Damm von Melide, die Stadt Lugano und die weissen Spitzen der Alpen ist umwerfend.
Etwas unterhalb vom Italienischen Balkon entdecke ich die Schweizer Fahne auf einer weiteren kleinen Plattform. Ein Fussweg führt zur Ruine, wo die dortige Infotafel Klarheit bringt.
Ende der 1960er Jahre wollte man eine Seilbahn von der Enklave Campione auf den Sighignola bauen. Das Projekt scheiterte jedoch aufgrund technischer Probleme und damit zusammenhängend an der Finanzierung. Die Baufirma ging schliesslich Konkurs und die Seilbahn nie in Betrieb.
Erst im Herbst 2011 wurde die Bergstation abgerissen und jetzt als Schweizer Aussichtsplattform genutzt. Die Talstation direkt am See und ein Seilbahnmast existieren heute immer noch.

Genug Geschichtliches, aber solche Ereignisse und Zeitzeugen sind einfach spannend. Jetzt zählt definitiv die Gegenwart und der Grip am Reifen. Ich nehme den Grenzweg nach Südosten. Der Grat Richtung Norden hätte mich auch gelockt, ganz nach dem Motto „steil ist geil“.
Links nach Italien, rechts runter nach Arogno. Die Schweiz hat mich zurück. Der Trail wird plötzlich sehr wild und teils unwegsam. Hier wäre etwas Unterhalt bitter nötig. Einige abgerutschte Stellen und querliegende Baumstämme müssen zu Fuss bewältigt werden. Zurück auf dem Bike, balanciere ich über den schmalen Trail im steilen Hang. Der Pfad spuckt mich vor dem Dorf aus.

Ein paar Meter aufwärts und schon rattert und schlägt die Kette wieder. Der typische Ticinotrail endet erst in Bissone. Ich rolle durch das schmucke Dorf, erfreue mich über den südlichen Flair und geniesse schliesslich die wärmenden Sonnenstrahlen an der Seepromenade.

Die Ticinotage waren ein fast würdiger Ersatz für die ins Wasser oder in den Schnee gefallenen Hochtouren. Unsere Sonnenstube ist echt immer ein Besuch wert … sicher bis zum nächsten Mal.

Distanz: 27.9 km
Höhenmeter: 1’236 hm
Bahnunterstützung: Keine
Höchster Punkt: Sighignola, 1’314 m
Bike: Liteville 301 Mk14

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