San Giorgio

Ende September, die ideale Zeit für die letzten hochalpinen Touren. So habe ich geplant, nochmals ins Wallis zu fahren. Leider präsentiert sich die Praxis anders als die Theorie. Der erste Schnee hat den Berggipfeln eine weisse Haube aufgesetzt und das Wetter ist alles andere als Spätsommerlich. Meine Ferientage scheinen ins Wasser oder in den Schnee zu fallen.
Der einzige Fleck in der Schweiz mit ein paar Tagen schönem und warmem Wetter ist das Südtessin. Na gut, Planänderung.

Anstelle an der 3000er Grenze zu kratzen, gibt es Berggipfel etwas über 1000 Meter und Ticino-Technotrails.
Den Monte San Giorgio habe ich mir eigentlich für einen Kurztrip im Frühling reserviert. Wie sich herausgestellt hat, bietet der Berg mehr als eine Abfahrt und kann gut ein zweites Mal bestiegen werden.

Mein Ausgangspunkt ist Melano, wo das Büssli auf dem Campingplatz direkt am See steht. Auf den ersten Kilometern rollt es Richtung Süden, teils auf ausgeschilderten Bikerouten. Erstes Etappenziel ist das schmucke Bergdorf Meride. Das südliche Flair hat mich beim Durchqueren vom Dorf bereits gepackt. Eine kleine Pause auf dem Dorfplatz, ein Riegel für den bevorstehenden Aufstieg.

Bereits die ersten Meter nach dem Dorf, vorbei an der ausserhalb liegenden Kirche, lassen den Puls beschleunigen. Nicht jammern, der Steinweg steig zwar ordentlich an, ist aber nur der Einstieg zur richtigen Uphill-Challenge. Ein Gemisch aus Steinweg und Felsplatten ragen vor mir in die Höhe. Ich mobilisiere alle vorhandenen Kräfte in den Beinen. Da die heutige Tour nicht sonderlich üppig ausfällt, kann ich locker etwas verschwenderisch damit umgehen.
Ich hoffe immer, hinter der nächsten Kuppe oder Kurve das Ende der Rampe zu entdecken. Fehlanzeige. Jetzt steigt es nochmals brutal an. Ich muss passen und schiebe das Bike neben mir her.

Auf den einzigen flachen Metern erreicht man eine Kapelle mitten im Wald. Etwas später geht es vorbei an einer Hausruine. Die fahrbaren Meter sind eine Ausnahme. Für den Schlussanstieg schwinge ich das Bike auf die Schultern.

Gipfel! … aber alleine bin ich nicht. Einiges an Fussfolk tummelt sich rund um die Hütte und macht sich die schönsten Aussichtsplätze streitig. Die Sicht auf den Lago di Lugano, den Damm von Melide, Lugano, den San Salvatore, Morcote … herrlich.

Ich verziehe mich an einen ruhigen, windstillen und sonnigen Platz, verzehre mein Mittagsbrötchen und geniesse den Moment.

Der Monte San Giorgio gehört übrigens zum Weltkulturerbe der UNESCO. Der Berg ist bekannt durch die gefundenen Fossilien, welche zu den weltweit wichtigsten Vorkommen zählen. Ausgestellt sind die Funde im Fossilienmuseum in Meride.

Mögliche Abfahrten gibt es einige. Eher nicht wählen sollte man jene nach Westen zur Luftseilbahn. Auf den Wanderwegweisern hat sich jemand verewigt und Bikeverbot hingeschrieben. Das hat vielleicht auch seinen Grund. Die allermeisten Ausflügler lassen sich mit der Bahn hinaufbefördern und laufen von dort den Rest zum Gipfel. Diese Route ist stark frequentiert.

Ich plane sowieso eine andere, einsame Strecke zu befahren. Unscheinbar geht es zwischen den Bäumen eine Steilstufe runter. Was dann folgt ist genial. Der Wald lichtet sich. Die wenigen knorrigen Bäume sind eher Dekoration. Vor mir liegt ein super Trail, mit Blickrichtung Chiasso und Poebene.
Der ausgeschilderte Weg biegt links ab. Ich folge dem Pfad auf dem Grat. Die Bäume werden dichter, der Trail knackiger. Felsbrocken und Laub prägen den typischen Ticinotrail. Wow, richtiges Techniktraining. Eindeutig nicht für Durchschnittsbiker zu empfehlen.
Ich kreuze wieder einen markierten Wanderweg. Ein paar Meter geht es zu Fuss durch eine Felspassage. Dann folgt der letzte Abschnitt, anspruchsvoll bis zu den ersten Häusern.

In Riva San Vitale gibt es eine Sightseeingtour durch das Dorf und einige Genussminuten am See, bevor es zurück zum Camping geht.
Bis zum nächsten Besuch, heiliger Georg. Ich komme sicher wieder.

Distanz: 24.2 km
Höhenmeter: 910 hm
Bahnunterstützung: Keine
Höchster Punkt: Monte San Giorgio, 1’097 m.ü.M.
Bike: Liteville 301 Mk14

2 Gedanken zu „San Giorgio“

  1. Hallo Rotscher, bist du nun auf dem Grat links ab (Ostabfahrt) oder geradeaus weiter? Ich ging Richtung Osten letzten Herbst, also links – und es war genial schön und noch genialer einsam.

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    • Hallo Jürg. Den linken Abzweiger nehme ich das nächste Mal 😀 . Auf dieser Tour war ich dem unscheinbaren Pfad geradeaus über die Krete gefolgt. Da es kein markierter Weg ist, wird er natürlich nicht gleich gut gepflegt. Aber auf meiner Tour war der Zustand super. Wenn jeder Biker auch mal einen Ast oder Stein auf die Seite befördert, wird es so bleiben. Alles klar? Das nächste Mal geradeaus 😉 … viel Spass dabei.

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