Col du Jorat

Auch die unglücklichen Momente haben ihre guten Seiten. So ruft mich Ändu an, sein Auto ist im Unterwallis gestrandet und steht zur Reparatur in der Garage. Zum Glück ist das Bike einsatzbereit … und auch die passende Tour ist schnell gefunden.

Zusammen rollen wir von Martigny nach Vernayaz. All jene die mit der Zahnradbahn ein paar Höhenmeter einsparen, verpassen einen wunderbaren Teil der Tour. Ein alter Säumerweg führt in unzähligen Kehren und angenehmer Steigung den steilen Berghang hinauf. Die vergangenen Zeiten sind fast spürbar.

Ab Salvan wechseln sich Kies- und Asphaltbelag ab. Die Strasse führt uns ins Vallon de Van. Die Auberge am Taleingang lädt förmlich zu einem kurzen Zwischenhalt.
Nach dem einfachen Campingplatz erwartet uns die grösste Herausforderung. Die schmale Strasse wird immer steiler und steiler. Wer hier noch im Sattel ist, spürt die Oberschenkel brennen und den Plus auf Maximaltouren schlagen. Ich muss einige Male eine kurze Verschnaufpause einschalten um den Motor nicht zu überhitzen.
Die Staumauer ist in Sicht. Bald geschafft. Die Betonmassen türmen sich immer gewaltiger vor uns auf. Der Weg führt gleich am Fusse der Mauer vorbei.
Der Lac de Salanfe liegt umringt von tollen Bergipfeln, unter anderem dem Massiv Dents du Midi. Ein schöner Platz hier oben.

Diese Auberge beim Stausee lassen wir aus, da schliesslich der Passübergang, der höchste Punkt der Tour, auf uns wartet. Der Schlussaufstieg ist im Gegensatz zur vorherigen Steigung pure Erholung. Der Pass kann fahrend erreicht werden.

Oben erwartet uns der herrliche Blick ins nächste Tal, auf die wunderschönen Formen der Dents du Midi, auf das Chablais (Gebiet zwischen Martigny und Lac Léman).

Wir legen eine Pause ein, geniessen die Sonne, verspeisen den Vorrat vom Rucksack und blicken über die Berge.
Wolken ziehen über die Felsformationen vom Dents du Midi und verdecken auch die Sonne. Zeit um uns in die Abfahrt zu stürzen.

Die Abfahrt ist eine gut ausgebaute Piste. Sie stellt keine Anforderungen an die Fahrtechnik. Einziger Spassfaktor ist das Tempo. Und prompt verpassen wir den Abzweiger. Nein, diesen Abschnitt lassen wir nicht aus. Also zurück.

Kein Wunder haben wir den Pfad verpasst. Ohne GPS ist er kaum zu finden. An fahren ist ebenfalls kaum zu denken. Wir schultern das Bike zwischen den Büschen hindurch, immer auf der Suche nach dem Pfad. Mir ahnt schon schlimmes. Wenn das so weiter geht, werden wir kaum einen Meter fahren.
Ich versuche auf das Bike zu steigen. Der Fahrversuch endet nach ein paar Metern wieder. So geht es weiter. Endlich ein längeres fahrbares Stück, bevor die Schuhsohlen wieder zum Einsatz kommen. Jetzt sollten wir dann endlich den äussersten Punkt erreicht haben. Hoffentlich empfängt uns abwärts einen Trail … die Hoffnung stirbt zuletzt.

Ich erspähe ein paar Meter Trail zwischen den Heidelbeerbüschen. Die Augen glänzen. Wenn das …
Ich trete in die Pedalen, schlängle mich zwischen den Büschen hindurch, versuche die Linie zu behalten und katapultiere mich in den siebten Himmel. Wir müssen uns extrem konzentrieren, den schmalen Pfad zwischen dem Grün zu finden und das Vorderrad richtig zu lenken. Was wir hier vorfinden hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet.
Genau das liebe ich. Die geilsten Trails müssen verdient werden. Trails für mich und Gleichgesinnte, ohne E-Biker oder Schredderjungs.

Auch jeder Trailtraum hat ein Ende. Wir stossen auf die offizielle, ausgeschilderte Fussfolkroute. Die nächste Hangtraverse ist wohl nur um den Adrenalinspiegel kurzfristig zu senken. Schlag auf Schlag geht es weiter. Der Trail wird steil, versetzt mit technischen Leckerbissen. Die Bremsen arbeiten auf Hochtouren. Nichts für schlechtes Material oder schwache Fahrtechnik.

Die Reifenstollen spüren Talboden. Wow, was für eine Tour. 2’000 Höhenmeter die erkämpft werden mussten, 2’000 Tiefenmeter welche unsere Bikerherzen verwöhnten, der verdiente Lohn.
Ab in die nächste Gartenbeiz, auf diesen Tag wird angestossen. Prost Ändu, danke fürs Mitkommen. War richtig cool 👍

Das war nicht der letzte Besuch dieser Gegend. Ach ja, da steht noch ein Projekt bevor 😉

Distanz: 42.9 km
Höhenmeter: 1’992 hm
Bike: Liteville 301 Mk14

3 Gedanken zu „Col du Jorat“

  1. Da der Jorat schon lange auf meiner Liste steht und ich ihn demnächst machen will, kommt mir dieser Bericht gerade sehr gelegen. Schöne einsame Ecke, die ich noch nicht kenne. Projekt…tönt ja wieder spannend und geheimnisvoll 😉

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  2. Super Sache, die Gegend hat wirklich ein paar Perlen! Gestern hatte ich ein ähnliches Erlebnis am Monte Zerbion: Kein Weg, öde Laufstrecke über Kuhdung. Was dann kam war dem Jorat ebenbürtig!
    Liebe Grüsse aus dem Aostatal..

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